Premiere der Biennale della Filantropia Strategica im Tessin: Prof. Henry Peter im Gespräch

Am 30. September 2021 findet mit der Biennale della Filantropia Strategica die erste öffentlich zugängliche Veranstaltung im Nonprofit- und Philanthropiesektor in der italienischen Schweiz statt. Organisiert wird die Zusammenkunft vom cenpro competenze al non profit, welches aus diesem Anlass mit Prof. Henry Peter vom Geneva Centre for Philanthropy gesprochen hat.  SwissFoundations ist stolze Patronatsgeberin der Veranstaltung.

Wie beurteilen Sie aus eigener Erfahrung die philanthropischen Partnerschaften zwischen Stiftungen in der italienischen Schweiz und anderen Akteuren, wie z.B. universitären Studienzentren, Dachstiftungen und Beratungsstellen für Stiftungen?

Prof. Henry Peter (HP): Im Tessin stützt sich die Philanthropie vor allem auf klassische Beraterfiguren: Rechtsanwälte, Notare, Treuhänder, in einem Umfeld, das aus meiner Sicht besser organisiert sein könnte. Der Beitrag der Philanthropie im Tessin könnte größer sein, wenn sie im Sinne des Erfahrungsaustausches und der Förderung der Interessen altruistischer Initiativen strukturierter wäre. Dies könnte sinnvollerweise Forschung und Ausbildung beinhalten.

Weitere Faktoren, die Philanthropie im Tessin begünstigen würden, könnten Eingriffe auf der Ebene der kantonalen Politik sein, um die Rahmenbedingungen zu verbessern und damit die Attraktivität des Kantons zu erhöhen. Wir können zum Beispiel an die Besteuerung denken, die, wenn sie günstig ist, einen Anreiz für die Gründung von Stiftungen und damit für – manchmal erhebliche – Spenden bietet. Dies hat sowohl einen direkten Effekt durch die Unterstützung von Initiativen für die Gesellschaft, als auch einen indirekten Effekt durch die dadurch ausgelöste Aktivität.

Die Biennale della Filantropia Strategica wird sich unter anderem mit aktuellen Trends im philanthropischen Sektor beschäftigen. Was wird aus Ihrer Sicht die philanthropische Welt in Zukunft prägen?

HP: Die Mission der Philanthropie ist das Gemeinwohl, das meiner Meinung nach durch die 2015 mit der Verabschiedung der Ziele für nachhaltige Entwicklung erzielte Einigung etwas kodifiziert wurde. Einige dieser Ziele spielen heute eine zentrale Rolle, vor allem der Umweltschutz.

Ein weiterer Trend, der hervorzuheben ist, ist die Tatsache, dass die Akteure der Philanthropie nicht mehr nur Einzelpersonen sind, direkt oder über Stiftungen, sondern Unternehmen selbst. Letztere werden sich ihrer Verantwortung in der Gesellschaft immer bewusster und konzentrieren sich daher nicht mehr ausschließlich auf den Gewinn im Interesse ihrer Aktionäre, sondern auch auf die Interessen anderer Stakeholder, wie z.B. ihrer Mitarbeiter, Lieferanten, des Umfelds, in dem sie tätig sind, der Umwelt usw.

Sie haben an dem Projekt zur Wiederbelebung der Philanthropie in der Genferseeregion teilgenommen. Welche der Faktoren, die sich herauskristallisiert haben, sehen Sie als Prioritäten für das Tessin?

HP: Das Geneva Centre for Philanthropy an der Universität Genf, mit dessen Gründung ich 2017 beauftragt wurde, hat sich für seine Aktivitäten drei Schwerpunkte gesetzt. Der erste betrifft die Entwicklung der Forschung und die Erstellung von Publikationen, um neue, an den heutigen Kontext angepasste Konzepte verfügbar zu machen. Der zweite betrifft die Verbreitung von Forschung und Ausbildung auf verschiedenen Ebenen, nicht nur auf fortgeschrittenem akademischem Niveau. Der dritte ist die Weitergabe dieses Wissens an die Öffentlichkeit.

Zusätzlich zu diesen drei Achsen hat das Geneva Centre for Philanthropy die Besonderheit, das Thema aus einer multidisziplinären Perspektive zu behandeln und sich nicht nur auf das „Wie“, sondern auch auf das „Warum“ altruistischer Aktivitäten zu konzentrieren. Dazu ziehen wir nicht nur Juristen, Ökonomen und Management-Spezialisten hinzu, sondern auch Psychologen, Philosophen, Spezialisten für Ethik, Verhaltensökonomie und Neurowissenschaften.

Henry Peter ist Professor an der Universität Genf, wo er das Geneva Centre for Philanthropy leitet. Er wird einer der Redner bei der Biennale Filantropia Strategica am 30. September 2021 im Palazzo dei Congressi in Lugano (Tessin) sein.  Anmeldung

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