Werden Corporate Foundations einer neuen steuerlichen Belastung durch die ESTV unterworfen?
Seit seinem Inkrafttreten am 1. Januar 2018 definiert Art. 3 lit. h Ziff. 2 des Mehrwertsteuergesetzes (MWSTG) als eng verbundene Personen Stiftungen und Vereine, zu denen eine besonders enge wirtschaftliche, vertragliche oder personelle Beziehung besteht. Der am 28. Januar 2022 veröffentlichte erste Praxisentwurf sollte festlegen, wann genau die Kriterien dieses Artikels erfüllt werden. Rund um diese Thematik wurden dem Bundesrat nun im Rahmen der nationalrätlichen Fragestunde drei Fragen gestellt.
Für die Behandlung aktueller Fragen wird die zweite und dritte Sessionswoche im Nationalrat mit einer Fragestunde eröffnet. Diese Möglichkeit nutzte FDP-Nationalrätin Daniela Schneeberger und reichte am 1. Juni 2022 folgende drei Fragen (Geschäft 22.7395, 22.7396 sowie 22.7397) zu den Corporate Foundations unter dem Titel «Neue steuerliche Belastungen von Unternehmensstiftungen [jeweils gemeint: Corporate Foundations] durch die ESTV?» ein:
- Ist sich der Bundesrat bewusst, dass mit diesem Praxisentwurf den Unternehmensstiftungen wichtige finanzielle Mittel für ihre gemeinnützige Arbeit entzogen würden?
- Wie rechtfertigt der Bundesrat, dass bereits bei der Erteilung der Befreiung von den direkten Steuern geprüft wurde, dass gemeinnützige Unternehmensstiftungen nicht eng verbunden, sondern organisatorisch sowie finanziell vom Unternehmen getrennt sind, dieselben gemeinnützigen Stiftungen im Rahmen der Mehrwertsteuer nun aber als eng verbundene Personen gelten sollen?
- Ist sich der Bundesrat bewusst, dass mit einer neuen Auslegung von Art. 3 Bst. h Ziff. 2 MWSTG der Wille des Gesetzgebers, wonach gemeinnützige Organisationen ausgenommen werden sollen (siehe am Beispiel der Vorsorgestiftungen), übergangen würde, da die Regelung nie auf gemeinnützige Organisationen abzielte?
Der Bundesrat antwortete am 7. Juni 2022 schriftlich auf alle drei Fragen, nämlich wie folgt:
- Die Frage der finanziellen Auswirkungen für die gemeinnützigen Stiftungen wurde im Vernehmlassungsverfahren zum Praxisentwurf zum Thema „eng verbundene Personen “ vom 28. Januar 2022 von betroffenen Personen und Organisationen der Eidgenössische Steuerverwaltung zur Kenntnis gebracht. Die Eidgenössische Steuerverwaltung prüft deshalb zurzeit eine mögliche Anpassung der Praxis. Konkret wird geprüft, ob die Besteuerung gemäss Artikel 3 Buchstabe h Ziffer 2 in Verbindung mit Artikel 24 Absatz 2 Mehrwertsteuergesetz bei gemeinnützigen Stiftungen und Vereine Anwendung findet oder nicht.
- Bei der Befreiung der Unternehmensstiftungen von den direkten Steuern wird geprüft, ob die Stiftung tatsächlich einen gemeinnützigen und nicht einen unternehmerischen Zweck verfolgt. Diese organisatorische und finanzielle Unabhängigkeit aus direktsteuerlicher Sicht schliesst jedoch nicht aus, dass die Stiftung aus mehrwertsteuerlicher Sicht als eng verbundene Person gilt, sofern sie besonders enge wirtschaftliche, vertragliche oder personelle Beziehungen zum stiftenden Unternehmen pflegt.
- Der Gesetzgeber hat lediglich die Vorsorgestiftungen und nicht die gemeinnützigen Stiftungen von der Regel gemäss Artikel 3 Buchstabe h Ziffer 2 Mehrwertsteuergesetz ausgenommen. Wie oben erwähnt, prüft die Eidgenössische Steuerverwaltung zurzeit eine Anpassung des Praxisentwurfs.
Als weiteres Vorgehen prüft die ESTV also eine mögliche Anpassung der Praxis bzw. eine Anpassung des Praxisentwurfs. Der besagte Praxisentwurf wurde am 28. Januar 2022 veröffentlicht (SwissFoundations berichtete). Er konkretisiert Art. 3 lit. h Ziff. 2 MWSTG und definiert, wann genau bei einer Stiftung eine enge Verbundenheit vorliegt. Die Frist zur Stellungnahme dauerte bis zum 1. März 2022. SwissFoundations hat sich in den Prozess mit einer neunseitigen Stellungnahme eingebracht. Als Verband der Schweizer Förderstiftungen hat SwissFoundations den Praxisentwurf klar abgelehnt und ist der Meinung, dass Corporate Foundations nicht eng verbundene Personen zu ihren Stiftern aus Sicht der Mehrwertsteuer in Bezug Art. 3 lit. h Ziff. 2 MWSTG sind (siehe dazu Zusammenfassung der Stellungnahme).
Die weiteren Entwicklungen rund um die ganze Thematik werden von SwissFoundations mit Spannung weiterverfolgt.
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